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Abba (Vater)

Die Richtung seines [Jesu] Lebens, der Wurzelgrund und der Zielpunkt, die es prägten, hieß: Abba – lieber Vater. Er wusste sich nie allein, bis zum letzten Schrei am Kreuz ist er ganz Ausgespanntsein auf den anderen hin, den er Vater nennt. Nur so ist es möglich, dass als sein eigentlicher Würdename sich zuletzt nicht König, Herr oder ähnliche Attribute der Macht durchgesetzt haben, sondern ein Wort, das wir auch mit «Kind» übersetzen könnten. […] Seine höchste Würde, die auf seine Gottheit verweist, ist schließlich nicht selbstbesessene Macht; sie beruht im Hinsein auf den anderen – auf Gott, den Vater. Joachim Jeremias hat einmal sehr schön gesagt, Kindsein im Sinne Jesu heiße Vater sagen lernen. […]

Die Griechen haben bekanntlich ihren Zeus «Vater» genannt. Aber das war für sie kein Wort des Vertrauens, sondern ein Ausdruck der tiefen Zweideutigkeit Gottes, der tragischen Zweideutigkeit und Furchtbarkeit der Welt. Wenn sie sagten «Vater», so hieß dies: Er ist wie Menschenväter eben sind. Manchmal ganz nett, wenn er gut gelaunt ist; aber im Tiefsten ein Egoist, ein Tyrann, unberechenbar, undurchschaubar und gefährlich. Genauso erlebten sie die geheime Macht, die die Welt beherrscht. […] Die Religionskritik des 19. Jahrhunderts hatte behauptet, die Religionen seien entstanden, indem die Menschen ihr Bestes und Schönstes an den Himmel projizierten, um sich die Welt erträglich zu machen. Aber als sie nur ihr Eigenes an den Himmel projizierten, da hieß es Zeus und da war es unheimlich. Der biblische Vater ist nicht eine himmlische Verdoppelung der menschlichen Vaterschaft, sondern setzt etwas Neues, er ist die göttliche Kritik der menschlichen Vaterschaft. Gott setzt sein eigenes Maß.

Es ist ein Christusmosaik zu sehen, welches sich in der Grabeskirche befindet

Ohne Jesus wissen wir nicht, was «Vater» wirklich ist. In seinem Gebet ist es aufgeleuchtet, und dieses Gebet gehört gründend zu ihm. Ein Jesus ohne das ständige Hineinversenktsein in den Vater, ohne die ständige innerste Kommunikation mit ihm, wäre ein völlig anderes Wesen als der Jesus der Bibel, der wirkliche Jesus der Geschichte. […] Aber gehört sie auch zum Vater, den er anredet, so dass auch er ein anderer wäre, wenn er nicht so angeredet würde? Oder geht dies an ihm vorüber, ohne in ihn einzutreten? Die Antwort lautet: Zum Vater gehört genauso das Sohnsagen wie zu Jesus das Vatersagen. Er wäre ohne diese Anrede ebenfalls nicht der gleiche. Jesus rührt nicht bloß von außen an ihn, er gehört zum Gottsein Gottes, als Sohn. Bevor noch die Welt geschaffen wird, ist Gott schon Liebe von Vater und Sohn. Er kann deshalb unser Vater und Maß aller Vaterschaft werden, weil er seit ewig selbst Vater ist. Im Gebet Jesu wird uns das Innere Gottes selbst sichtbar, wie Gott selber ist.

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