INRI – der Kreuzestitel
KNA
Das älteste Kruzifix im Petersdom, ein 2,15 Meter hohes Holzkruzifix aus Nussbaum aus dem 14. Jahrhundert, wird am 28. Oktober 2016, nach einer monatelangen Restaurierung, im Petersdom vorgestellt.
Über dem Kreuz Jesu steht in den beiden Weltsprachen von damals – Griechisch und Latein – und in der Sprache des auserwählten Volkes – Hebräisch – wer er ist: der König der Juden, der verheißene Sohn Davids. Pilatus, der ungerechte Richter, ist wider Willen zum Propheten geworden. Vor der Weltöffentlichkeit wird Jesu Königtum proklamiert. Jesus selbst hatte den Titel Messias nicht zugelassen, weil er eine falsche – menschliche – Idee von Macht und von Rettung hervorgerufen hätte. Aber nun darf der Titel öffentlich dastehen – über dem Gekreuzigten. So ist er wirklich König der Welt. Nun ist er wahrhaft «erhöht». In seinem Abstieg ist er aufgestiegen. Nun hat er radikal den Auftrag der Liebe erfüllt, er hat sich weggegeben von sich selber, und gerade so ist er nun die Erscheinung des wahren Gottes, des Gottes, der die Liebe ist. Nun wissen wir, wer Gott ist. Nun wissen wir, wie wahres Königtum aussieht. Jesus betet den Psalm 22, der mit den Worten beginnt: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen …» (Ps 22,2). Er nimmt das ganze leidende Israel in sich auf, die ganze leidende Menschheit, die Not ihres Gottesdunkels, und lässt so dort Gott erscheinen, wo er endgültig besiegt und abwesend scheint. Das Kreuz Jesu ist ein kosmisches Ereignis. Die Welt wird dunkel, wo Gottes Sohn dem Tod preisgegeben ist. Die Erde erbebt. Und am Kreuz beginnt die Kirche der Heiden. Der römische Hauptmann erkennt, bekennt Jesus als den Sohn Gottes. Vom Kreuz aus siegt er – immer neu.
Der Kreuzweg unseres Herrn. Betrachtung zur XII. Station, Freiburg 2005, 59 – 60.