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Benedikt-Anliegen

Karfreitag

«Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrten» – das ganze Johannesevangelium ist im Grunde nichts anderes als der Vollzug dieses Wortes, nichts anderes als das Bemühen, unsere Augen und unser Herz zu sammeln in den Blick auf ihn hinein. Und die ganze Liturgie der Kirche ist nichts anderes als Schauen auf den Durchbohrten, dessen verhülltes Antlitz der Priester auf dem Höhepunkt des Kirchenjahres, in der gottesdienstlichen Feier des Karfreitags, den Augen der Kirche und der Welt enthüllt: «Seht, das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen!»

Kreuzweg mit Papst Benedikt XVI. am 6. April 2012 beim Kolosseum in Rom. Bild: Am Abend des Karfreitags gedenken die Gläubigen Roms mit einem Kreuzweg am Kolosseum dem Leiden Jesu.

«Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrten.» […] Während im Tempel die Osterlämmer verbluten, stirbt draußen vor der Stadt ein Mensch, stirbt Gottes Sohn, getötet von denselben, die ihn im Tempel zu verherrlichen meinen. Gott stirbt als Mensch – er gibt sich selber ganz den Menschen, die sich ihm nicht zu geben vermögen, und setzt so an die Stelle des vergeblichen kultischen Ersatzes die Wirklichkeit seiner allgenügenden Liebe. Der Brief an die Hebräer hat die kleine Anspielung des Johannesevangeliums weiter ausgebaut und die jüdische Liturgie des Versöhnungstages als bildhaftes Vorspiel für die wirkliche Lebens- und Sterbensliturgie Jesu Christi ausgelegt. Was sich vor den Augen der Welt als durchaus profaner Vorgang darstellte, als die Hinrichtung eines Mannes, der als politischer Verbrecher verurteilt war, das war tatsächlich die einzige wirkliche Liturgie der Weltgeschichte – kosmische Liturgie, in der nicht im abgezirkten Bereich des liturgischen Spiels – im Tempel –, sondern vor der Öffentlichkeit der Welt Jesus durch den Vorhang des Todes hindurch in den wirklichen Tempel: vor das Angesicht des Vaters trat und nicht das Blut von Ersatzwesen brachte, sondern sich selbst – wie es wahrer Liebe gemäß ist, die nicht weniger schenken kann als eben sich. Die Wirklichkeit der Liebe, die sich selber gibt, ist an die Stelle des Spiels mit dem Ersatz getreten, das nun für immer ausgespielt ist. Der Tempelvorhang ist zerrissen; fortan gibt es keinen Kult mehr als die Teilhabe an der Liebe Jesu Christi, die der immerwährende kosmische Versöhnungstag ist.

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