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Pfingsten

Die Gnade des Pfingstfestes antwortet auf eine Frage, die in unserer Zeit geradezu zu einem Überlebensproblem geworden ist. Pfingsten ist Fest der Vereinigung, des Verstehens, des Miteinanders der Menschen. Wir aber leben in einer Zeit, in der wir zwar immer näher aneinander rücken, in der die Entfernungen in der Welt schwinden und kaum noch eine Rolle zu spielen scheinen und in der doch zu- gleich das Verstehen der Menschen untereinander immer schwieriger wird. Erste, Zweite, Dritte Welt stehen gegeneinander, Generationen stehen gegeneinander, und im Alltag merken wir, wie die Menschen immer aggressiver, bissiger und ungemütlicher gegeneinander werden, das Verstehen immer schwerer wird.

Santa Maria Maggiore in Rom.  Detailaufnahme der Mosaiken aus dem 5. Jahrhundert im Mittelschiff: Im Bild: Die Verkündigung des Herrn.

Wie könnte Einheit sein, derer wir so sehr bedürfen? Und woher kommt das eigentlich, dass wir häufig so verquer gegeneinander sind? Die Pfingstberichte der Heiligen Schrift lassen in ihrem Hintergrund die uralte Geschichte vom babylonischen Turmbau auferstehen – die Erzählung also von jenem Reich, in dem sich so viel Macht gesammelt hatte, dass die Menschen glauben konnten, sie brauchten nun nicht mehr auf die Huld der fernen Gottheit zu warten, sondern sie seien stark genug, selbst einen Weg zum Himmel hinauf zu bauen, selbst die Tür dorthin einzustoßen, Götter zu werden und sich das paradiesische Leben einzurichten. Und dann geschieht das Merkwürdige. Während sie so miteinander bauen, bauen sie plötzlich gegeneinander. Und während sie versuchen, Götter zu werden, sind sie in Gefahr, nicht einmal mehr Menschen zu sein, weil ihnen das Menschlichste, das Miteinander des Verstehenkönnens zerfällt. […]

Wie könnte Einheit werden? […] Die Heilige Schrift antwortet darauf: Das kann nur sein durch einen neuen Geist, der uns gegeben wird, der uns ein neues Herz und eine neue Sprache schenkt. […] Der heilige Paulus gibt in der ersten Lesung aus dem Korintherbrief […] darauf eine verblüffend einfache und praktische Antwort. […] Das neue Wort, das er uns auf die Zunge legt, diese feurige Zunge, die er uns gibt und die das Herz umwandelt, heißt ganz einfach: Jesus ist der Herr (1 Kor 12,3). Dies ist das neue Wort, das Trennungen überwindet und die Menschen vereint.

Um diesen einfachen und doch unermesslichen Anspruch, der in dem Worte steht, zu begreifen, müssen wir freilich etwas in die Tiefe hinuntersteigen. Zuallererst müssen wir uns bewusst werden, dass Paulus hier ganz einfach das Glaubensbekenntnis der Kirche zitiert. Er will uns damit sagen: Das Wichtige am Heiligen Geist sind nicht irgendwelche enthusiastischen Erschütterungen; die gibt es auch im Heidentum.

Im vorausgehenden Vers 2 hatte er die Korinther an die Zeit erinnert, da sie »zu den stummen Götzen« geführt wurden und die dort üblichen Formen von Enthusiasmus und Ekstase erlebten. Der Heilige Geist – so lässt er uns nun verstehen – spielt nicht mit Enthusiasmen; er ist ganz nüchtern. Das neue Wort, das er uns gibt, besteht in der Demut des Mitbekennens mit dem Glauben der Kirche. […] Ein solches Wort: Jesus ist der Herr, das Maßstab, Weise meines Daseins ist, kann man gar nicht allein mit der Zunge sprechen; es fordert den ganzen Menschen ein. Und indem es uns dazu nötigt, unsere Selbstherrlichkeit aufzugeben und seine Maßstäblichkeit anzunehmen, führt es uns zueinander. Denn wenn wir alle nicht mehr nach unserem eigenen Sinn leben, sondern hineinleben in den, der uns vorausgeht, hineinleben in den, der uns geliebt hat bis in den Tod hinein, dann werden wir wahrlich kommunikabel füreinander.

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