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Benedikt-Anliegen

In Ewigkeit von Gott geliebt sein 

In seiner Homilie im Gedenkgottesdienst am zweiten Todestag von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. hebt Kurt Kardinal Koch das bleibende Erbe der Theologie Benedikts XVI. hervor. «Für den gläubigen Theologen auf der Cathedra Petri konnte es keine größere Priorität geben als die, den Menschen von heute den Zugang zu Gott, seiner Wahrheit und Schönheit wieder zu ermöglichen», betont der Kardinal. Wir dokumentieren die Predigt von Kardinal Koch im vollen Wortlaut.

Am zweiten Jahrestag des Heimgangs von Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. haben wir uns in der St. Petersbasilika versammelt, um die Heilige Messe zu feiern und den zum himmlischen Vater Heimgegangenen in besonderer Weise in unser Gebet zu schließen und seiner in Dankbarkeit für sein Leben und Wirken zu gedenken.

Das Licht der irdischen Welt hat Joseph Ratzinger am Karsamstag im Jahre 1927 erblickt. Dass sein Leben «von Anfang an auf diese Weise ins Ostergeheimnis eingetaucht» gewesen ist, hat ihn immer mit Dankbarkeit erfüllt; «denn das konnte nur ein Zeichen des Segens sein». Und Joseph Ratzinger hat im Geheimnis des Karsamstags das «Wesen unseres menschlichen Lebens» wahrgenommen, «das noch auf Ostern wartet, noch nicht im vollen Licht steht, aber doch vertrauensvoll darauf zugeht»[1]. Ganz ins Licht des Ostergeheimnisses eingegangen ist Benedikt XVI. am Tag seiner zweiten Geburt, der Geburt zum ewigen Leben im Jahre 2022 in der Weihnachtszeit, die ihm stets so teuer gewesen ist.

«Gott hat es so gefügt, dass der äußere Rahmen des Lebens von Joseph Ratzinger von der Heilsgeschichte umgeben gewesen ist.»

Gott hat es so gefügt, dass der äußere Rahmen des Lebens von Joseph Ratzinger von der Heilsgeschichte umgeben gewesen ist. Dies gilt freilich erst recht für sein inneres, geistliches Leben, das ganz dem Geheimnis des christlichen Glaubens gewidmet gewesen ist. Aus ihm hat er gelebt, ihn hat er glaubensstark verkündet und mit seiner theologischen Klarsicht uns Menschen heute erschlossen.

Es ist ein sehr schönes Zusammentreffen, dass die Liturgie unserer Kirche am Silvestertag den Prolog des Johannesevangeliums vorsieht. Denn in diesem Loblied auf den Logos, auf das Wort, das bei Gott war und Gott war, ist der innerste Kern des christlichen Glaubens verdichtet. Ihn hat Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. sein ganzes Leben lang reflektiert und für uns offengelegt. In seinem theologischen Denken ist er stets vom Wort Gottes ausgegangen, wie es in der Heiligen Schrift niedergelegt ist und in der Tradition der Kirche den Weg durch die Geschichte geht. Im Wort des lebendigen Gottes hat er jene Wahrheit gefunden, nach der sich die Menschen in der Tiefe ihres Herzens sehnen.

In der konsequenten Orientierung an der Wahrheit des Wortes Gottes hat Papst Benedikt XVI. uns in glaubwürdiger Weise ans Herz gelegt, worin der Sinn des menschlichen Lebens besteht. Denn was der Evangelist Johannes als «Wort» bezeichnet, kann man auch mit «Sinn» übersetzen; «Am Anfang war der Sinn, und der Sinn war bei Gott, und der Sinn war Gott.» Damit ist uns die entscheidende Antwort auf die uns Menschen aller Zeiten bewegende Frage gegeben, worin der Sinn unseres Lebens und der Welt besteht: Wenn der Sinn Gott selbst ist, dann kann der Sinn uns nur gegeben, geschenkt sein, nämlich als Gnade.

Im Mittelpunkt des Lebens und Wirkens von Papst Benedikt XVI. hat dieses «Wort», dieser «Sinn» Gottes gestanden. Dieses Wort aber ist nicht abstrakt und reine Theorie, sondern von diesem Wort sagt das Evangelium, dass es Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Das Wort Gottes hat folglich ein konkretes Gesicht, es schaut uns an und schenkt uns so Ansehen, in dem die höchste Würde von uns Menschen begründet ist. Und deshalb hat dieses Gesicht einen Namen; es heißt Jesus von Nazareth, der Immanuel, der «Gott mit uns». In ihm hat Gott selbst sein wahres Gesicht gezeigt und seine ganze Liebe für uns Menschen geschenkt.

«In der Liebe Gottes liegt der wahre Grund, dass im menschlichen Leben das letzte Wort niemals «Tod» heißen kann; das letzte Wort gehört vielmehr der Liebe Gottes.»

Von daher verstehen wir, dass für Benedikt XVI. der Logos, das Wort Gottes mit der Liebe zutiefst verbunden ist: Gott selbst ist Liebe - «Deus caritas est». In der Liebe Gottes liegt der wahre Grund, dass im menschlichen Leben das letzte Wort niemals «Tod» heißen kann; das letzte Wort gehört vielmehr der Liebe Gottes. Wir Menschen können deshalb nicht vergehen oder im Tod untergehen, weil Gott seine Geschöpfe kennt und sie liebt. Bereits menschliche Liebe will Ewigkeit, sie ist auf Unzerstörbarkeit angelegt und ist gleichsam ein Schrei nach Unendlichkeit. Doch solche Ewigkeit vermag menschliche Liebe nicht aus sich selbst zu geben.  Es ist vielmehr die grenzenlose und unendliche Liebe Gottes, die Ewigkeit nicht nur für jeden Menschen will, sondern sie auch wirkt und sie selbst ist.

Es ist die Liebe Gottes, die uns Menschen unsterblich macht, und diese uns ewiges Leben schenkende Liebe Gottes nennen wir «Himmel». Im Himmel sein bedeutet, mit dem lebendigen Gott in Ewigkeit zusammen sein und im unendlichen Meer seiner Liebe sich bewegen dürfen. Denn der Himmel enthält, wie Papst Benedikt XVI. sehr schön sagt, die trostvolle Verheissung, «dass Gott groß genug ist, um auch für uns geringe Wesen Platz zu haben»[2].

Wenn in Gott Platz für uns ist, dann ist im Himmel aber auch Platz für alle anderen Menschen. Wenn nämlich Himmel bedeutet, dass wir im erhöhten und vollendeten Christus leben, dann schließt er auch alle Menschen ein, die gemeinsam den einen Leib Christi bilden und die nicht einfach nebeneinander im Himmel sind, sondern miteinander und in Gemeinschaft mit Christus der Himmel sind. Der Himmel ist für Papst Benedikt deshalb eine elementar gemeinschaftliche Wirklichkeit: «Der Himmel kennt keine Isolierung; er ist die offene Gemeinschaft der Heiligen und so auch die Erfüllung alles menschlichen Miteinander, die nicht Konkurrenz zu, sondern Konsequenz aus dem reinen Geöffnetsein für Gottes Angesicht ist.»[3]

«Gott in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, ist das entscheidende Anliegen von Papst Benedikt XVI. gewesen.»

Von daher wird vollends einsichtig, dass das christliche Bekenntnis zum ewigen Leben nichts anderes ist als das Bekenntnis, dass Gott wirklich ist. Gott in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, ist das entscheidende Anliegen von Papst Benedikt XVI. gewesen. Denn in einer Zeit, in der Gott oft als fremd und überflüssig empfunden wird und wir unter einer gewissen Schwerhörigkeit oder gar Taubheit gegenüber Gott leiden, hat er in Erinnerung gerufen, dass es höchste Zeit ist, an Gott zu denken. Für den gläubigen Theologen auf der Cathedra Petri konnte es keine größere Priorität geben als die, den Menschen von heute den Zugang zu Gott, seiner Wahrheit und Schönheit wieder zu ermöglichen. Diese Zentralität Gottes macht das bleibende Erbe seiner Theologie aus, die er stets beim Wort genommen hat, insofern die lebendige Wirklichkeit Gottes ihr zentrales Thema ist.

Wer Gott sagt, sagt zugleich ewiges Leben. Denn wen Gott liebt, dem gibt er an sich selbst, an seiner Ewigkeit Anteil. Das Bekenntnis zu Gott führt von selbst zum Glauben an das Ewige Leben. Denn ohne Antwort auf die Suche des Menschen nach Gott müsste der Tod ein letztlich grausames Rätsel bleiben. Wenn Gott aber wirklich ist, und zwar der Gott, der an Weihnachten Mensch geworden ist und der uns in diesem Menschen sein Gesicht gezeigt hat, dann gibt es ewiges Leben und dann ist der Tod nicht Ende, sondern Hinübergang zum lebendigen Gott.

Im Licht des christlichen Glaubens beginnt das ewige Leben freilich nicht erst nach unserem Sterben, sondern bereits jetzt in unserem irdischen Leben, wenn wir in der Gegenwart Gottes, gleichsam Aug´in Auf mit Gott leben. Der wohl tiefste und schönste Augen-Blick in unserem Leben ist uns mit der Feier der heiligen Eucharistie geschenkt. Als «pharmakon athanasias», als «Heilmittel der Unsterblichkeit» schenkt sie uns mitten in unserem Leben eine Vorerfahrung des ewigen Lebens. Sie ist bereits Parusie, das Kommen des Herrn, und zugleich Ausschau auf das endgültige Ankommen bei ihm.

Dieses schon und noch nicht ist in dem auf den heiligen Thomas von Aquin zurückgehenden eucharistischen Hymnus «Adoro te devote» sehr tief und schön ausgesprochen: «O Jesu, den verhüllt jetzt nur mein Auge sieht; Wann stillst das Sehnen du, das in der Brust mir glüht: Dass ich enthüllet dich anschau´ von Angesicht und ewig sei in deiner Glorie Licht.» Für Papst Benedikt XVI. ist diese eucharistische Sehnsucht bereits in Erfüllung gegangen, wenn er in der Gemeinschaft der Heiligen am himmlischen Hochzeitsmahl teilhaben darf und sein letztes Wort im irdischen Leben ohne Unterbruch aussprechen wird: «Herr, ich liebe Dich.»

Wir aber leben noch im Vorhof der Ewigkeit und bringen unsere Dankbarkeit für das Leben und Wirken von Papst Benedikt XVI. ein in das große Dankgebet der Kirche, in die Eucharistie, die wir in der Sehnsucht danach feiern, dass uns jener verborgene Glanz offenbar werde, den der Evangelist Johannes als das eigentliche Geheimnis der Weihnacht verdichtet und den Papst Benedikt XVI. mit seinem Leben bezeugt hat: «Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.»

Comp: BenediktXVI.-Gedenkgottesdienst Silvester2024

 


 

[1]  J. Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben. Erinnerungen (1927-1977) (Stuttgart 1998) 8.

[2]  J. Ratzinger, Ein Hymnus auf den Leib und auf die Zukunft. Mariä Himmelfahrt 1968, in: Ders., Auferstehung und ewiges Leben = Gesammelte Schriften. Band 10 (Freiburg i. Br. 2012) 645-649, zit. 648.

[3]  J. Ratzinger, Eschatologie – Tod und ewiges Leben (Regensburg 1977) 191.

Messfeier zum zweiten Todestag

Aufzeichnung der von EWTN übertragenen Eucharistiefeier zum zweiten Todestag von Papst BenediktXVI. am 31. Dezember 2024.

Papst Benedikt XVI. - Alles für Gott und die Kirche

Zwei Jahre sind seit dem Tod von Papst Benedikt XVI. vergangen. Der katholische TV-Sender EWTN hat mit drei Wegbegleitern des deutschen Papstes gesprochen: Mit Kardinal Kurt Koch, den Papst Benedikt damals zum Leiter der Ökumene beauftragt hat, außerdem mit Erzbischof Georg Gänswein, der dem Heiligen Vater bis zum Schluss als Privatsekretär diente und mit Professor Ralph Weimann, der mit zahlreichen Initiativen das geistliche Erbe von Papst Benedikt auch heute noch wachhalten möchte. Das Gespräch führte Andreas Thonhauser, Büroleiter von EWTN Vatican.

Diese Erfahrung begleitet mich, wohin ich auch gehe

Aus Anlass des ersten Todestages von Papst Benedikt XVI. ein Gespräch mit dessen langjährigem Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein über wehmütige Erinnerungen, tiefe Trauer und große Dankbarkeit.

 Erzbischof Dr. Gänswein, der langjährige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI.

An Silvester jährt sich der Todestag von Papst Benedikt XVI. zum ersten Mal. Was geht Ihnen durch den Kopf und durch das Herz, wenn Sie an die Tage des Sterbens und des Abschieds von Benedikt XVI. denken?

Die Erinnerung an den Todestag weckt in mir Trauer, Schmerz und Wehmut. Sie weckt zur gleichen Zeit aber auch große Dankbarkeit für die vielen Jahre, die ich an der Seite von Papst Benedikt leben und wirken durfte. Sie waren für mich ein unverdientes Geschenk. Dennoch: Wenn ich jetzt an das Jahresende denke, an Silvester, an den Todestag, überwiegen Wehmut und Trauer.

Gibt es Momente in dieser Zeit des Abschiednehmens, die sich besonders in Ihre Erinnerung eingegraben haben?

Die Tage vor dem Sterben haben sich in besonderer Weise in mein Herz und in mein Gedächtnis eingegraben. Vor allem die heiligen Messen, die wir an seinem Sterbebett in kleiner Gemeinschaft gefeiert haben. Die gesammelt-dichte Atmosphäre, die Präsenz des Papstes, der immer schwächer wurde, all das hat sich tief eingegraben in mein Inneres. Dieses Bild, diese Erfahrung begleitet mich, wohin ich auch gehe.

Seit dem vergangenen Jahr ist das Weihnachtsfest für mich untrennbar verknüpft mit dem Tod Benedikts.

Papst Benedikt wird herzlichst begrüßt beim Weltjugendtag in Madrid

Benedikt XVI. ist am Karsamstag geboren und in der Weihnachtsoktav gestorben. Die Bilder seines aufgebahrten Leichnams neben dem Christbaum gingen um die Welt. Blicken Sie angesichts der Ereignisse des Vorjahres heuer anders auf das Weihnachtsfest?

Seit dem vergangenen Jahr ist das Weihnachtsfest für mich untrennbar verknüpft mit dem Tod Benedikts Das hat starken Einfluss auf meine Empfindungen. Am Karsamstag geboren, am Oktavtag von Weihnachten gestorben: Darin ist eine Fügung zu erkennen, die im Rückblick ein besonderes Licht auf sein ganzes Leben wirft. Seine wichtigsten Lebensdaten fallen in eins mit den wichtigsten Glaubensdaten: Ostern und Weihnachten. Die Geburt, das Leiden, der Tod und die Auferstehung des Herren spiegeln sich in den Lebensdaten Joseph Ratzingers. In dieser großen „Oktav des Glaubens“ hat Papst Benedikt XVI. sein ganzes Leben verbracht.

Im Begriff des „Trauerjahres“ kommt zum Ausdruck, dass Trauer Zeit braucht. Welche Phasen der Trauer haben Sie erlebt? Wie sind Sie geistlich damit umgegangen? Hat Sie das persönlich bzw. Ihren Glauben, Ihr geistliches Leben verändert?

Mein geistliches Leben hat die schmerzvollen Tage der Trauer aufgefangen und ihnen Halt und Bestand gegeben. Ich habe getrauert wie Menschen, die um einen lieben Verstorbenen trauern, aber stärker war das Wissen im Glauben, dass nicht der Tod, sondern Gott das letzte Wort hat. Menschlich habe ich darunter gelitten, und tue es noch, dass Papst Benedikt physisch nicht mehr da ist. Im Glauben jedoch habe ich Trost, Zuversicht und innere Stärke erfahren. Das hat mein geistliches Leben vertieft.

Sarg von Papst Benedikt XVI. mit geöffnetem Evangelium. Im Hintergrund sieht man die Menschenmassen.

Sprechen Sie im Gebet mit Papst Benedikt XVI.? Sehen Sie in ihm einen Fürsprecher in bestimmten Anliegen?

Ich bete jeden Tag zu ihm. Er ist einer meiner großen Fürsprecher geworden, nicht zuletzt in den persönlichen Anliegen.

 

Benedikt XVI. ist sehr bewusst auf seinen Tod zugegangen. Mehrfach hat er in seinen letzten Jahren davon geschrieben und darüber gesprochen, dass er sich auf der letzten Etappe seiner irdischen Pilgerreise befinde. Hat er sich in einer besonderen Weise auf sein Sterben vorbereitet?

Das hat er getan, seit er auf das Petrusamt verzichtet hat. Dabei ging es weniger um besondere Aktivitäten, mit denen er sich auf das Sterben vorbereitet hätte. Vielmehr ist Benedikt „gezielter“ auf diesen Tag zugegangen, hat sich bewusster in den Prozess des „Absterbens“ hineinnehmen lassen. Er hat Ja gesagt zu den abnehmenden Kräften und hat sich in die gute Hand Gottes hineingegeben, von der er wusste, dass sie ihn trägt und hält. Seine Vorbereitung auf den Tod bestand vor allem darin, dass er das Tageswerk bewusster getan und die ihm noch bleibende Lebenszeit intensiver der Führung Gottes anvertraut hat.

 

Ob jemand leichter stirbt oder nicht, hängt nicht vom Amt ab.

Bei Benedikt XVI. konnte man aufgrund seiner Äußerungen den Eindruck haben, er freue sich auf die Begegnung mit dem Herrn am Ende seiner Tage. Stirbt ein Papst leichter als ein einfacher Gläubiger?

Dass er sich auf die Begegnung mit dem Herrn vorbereitet und sich darauf gefreut hat, davon bin ich überzeugt. Ob jemand leichter stirbt oder nicht, hängt nicht vom Amt ab. Der Volksmund sagt, dass jemand so stirbt, wie er gelebt hat. Benedikt hat in Gott, für Gott und für Christus gelebt. In dieser inneren Haltung ist er auch gestorben. Auf diese Weise konnte er sein Leben vielleicht doch leichter in die Hand Christi zurückgeben.

Leichnam von Papst emeritus Benedikt XVI. / Jospeh Ratzinger.

Hoch betagt schrieb Benedikt XVI. im Februar 2022 in einem Brief sein nahes Lebensende vor Augen: „Auch wenn ich beim Rückblick auf mein langes Leben viel Grund zum Erschrecken und zur Angst habe, so bin ich doch frohen Mutes, weil ich fest darauf vertraue, daß der Herr nicht nur der gerechte Richter ist, sondern zugleich der Freund und Bruder, der mein Ungenügen schon selbst durchlitten hat und so als Richter zugleich auch mein Anwalt (Paraklet) ist. Im Blick auf die Stunde des Gerichts wird mir so die Gnade des Christseins deutlich. Es schenkt mir die Bekanntschaft, ja, die Freundschaft mit dem Richter meines Lebens und lässt mich so zuversichtlich durch das dunkle Tor des Todes hindurchgehen.“ Ein solch tiefes Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes angesichts der Stunde des Gerichts: Ist das ein Geschenk des Glaubens? Lässt sich das lernen? Muss man sich das erarbeiten?

Tiefes Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes angesichts des Todes halte ich für ein großes Geschenk des Glaubens. Sich bewusst einlassen auf die Begegnung mit dem Herrn im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes in der Stunde des Todes: das lässt sich einüben. Einüben bedeutet, immer mehr und intensiver auf das Wort des Herrn hören und seine Gegenwart in sich eindringen lassen. Ihm mehr Gewicht geben, tiefer glauben, das schenkt größere Hoffnung. Die Einübung in das Vertrauen auf den barmherzigen Richter schenkt Trost und inneren Frieden.

Es heißt, die letzten Worte Benedikts XVI. seien „Herr, ich liebe Dich!“ gewesen. Verdichtet sich in diesem einen schlichten Satz das Lebenswerk dieses Papstes?

Ich bin zutiefst überzeugt, dass die zitierten Worte das theologische und persönliche Leitmotiv seines ganzen Lebens waren und dass sie alle Etappen seines Wirkens umfassen. Sie haben in seinem Pontifikat ihren Höhepunkt erreicht.

In Papst Benedikt XVI. hatte ich einen ebenso milden wie weisen ,Chef‘.

Sie haben Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. über viele Jahrzehnte aus nächster Nähe begleitet. In der Glaubenskongregation, während seines Petrusdienstes und in seiner Zeit als Papa emerito? Worin bestand in all den Jahren die größte Herausforderung für Sie?

Die größte Herausforderung bestand in all den genannten Lebensstationen darin, den mir übertragenen Aufgaben gerecht zu werden und sie so zu erledigen, dass ich dem, der mir diese Aufgaben anvertraut hat, eine wirkliche Stütze und Hilfe sein konnte. Das war in der Tat nicht immer einfach, teilweise anstrengend, aber ich habe es immer gerne und mit ganzem Herzen gemacht. In Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. hatte ich einen ebenso milden wie weisen „Chef“. Er hat mir gegenüber viel Verständnis, große Feinfühligkeit und menschliche Sympathie gezeigt. Das hat meinen Dienst beflügelt.
 

Wofür sind Sie besonders dankbar? 

Ich bin dankbar für die vielen Jahre, die ich an seiner Seite wirken durfte. Sie haben mein Leben bereichert und den Glauben vertieft. Es gab viele Erfahrungen, die mich haben reifen lassen. Besonders dankbar bin ich für die Erfahrung, auch bei großen Schwierigkeiten den Bettel nicht hinzuschmeißen, sondern in Treue, froher Zuversicht und festem Gottvertrauen auszuharren und durchzuhalten. Am Ende hat immer die Freude überwogen.

Mögen die Auseinandersetzungen um theologische und kirchliche Fragen noch so vehement gewesen sein, am Ende zählt die Liebe zu Christus, die Treue in seiner Nachfolge.

Die Psychologie kennt den „Sterbebett-Test“: Auf dem Sterbebett werde einem schlagartig klar, worauf es im Leben wirklich ankommt, was wesentlich ist und was nicht. Überträgt man das auf die Debatten und Auseinandersetzungen um Fragen der Theologie und des Glaubens: Was zählt am Ende wirklich? Was trägt - auch an der Schwelle des Todes? Was ist wesentlich?

Mir kommt da eine Stelle aus dem zweiten Timotheus Brief in den Sinn, wo der Apostel Paulus sagt, dass er den Lauf vollendet, den guten Kampf gekämpft und die Treue gehalten habe. Mögen die Auseinandersetzungen um theologische und kirchliche Fragen noch so vehement gewesen sein, am Ende zählt die Liebe zu Christus, die Treue in seiner Nachfolge. Wesentlich ist an der Schwelle des Todes, dass der Glaube nicht ins Wanken gerät, sondern allem standhält. Dass das Vertrauen in den Erlöser mich aufrechthält und ich das Ziel des Ewigen Lebens nicht aus den Augen verliere.
 

Wie stellen Sie sich den Himmel vor?

Ein kleines Kind hat bei einer großen öffentlichen Veranstaltung Papst Benedikt einmal genau diese Frage gestellt. Darauf hat er geantwortet, er stelle sich den Himmel vor wie das Daheimsein in der Familie, mit seinen Eltern, mit seinen Geschwistern und allen, die sich gernhaben. Er meinte damit, in großer Harmonie miteinander zu leben. Und das nicht nur für ein paar Augenblicke, sondern ein für alle Mal. So stelle auch ich mir den Himmel vor: Ein Zusammensein bei Gott in völliger Harmonie, die kein Ende kennt.


Wie begehen Sie den Todestag Benedikts XVI.?

Am Silvestertag ist in der Früh im Petersdom eine Gedenkmesse zum Jahrestag, der ich vorstehen werde. Anschließend wird es eine Statio am Grab von Papst Benedikt XVI. geben. Den Tag werde ich mit Freunden im Gedenken an den verstorbenen Papst verbringen. Dabei werden sicher viele Erinnerungen aufleben, die in den vergangenen Jahren mein Leben bewegt haben.
 

Was meinen Sie: Was hätte sich Benedikt XVI. gewünscht, woran sollen sich spätere Generationen mit Blick auf sein Lebenswerk und seine Person erinnern?

An seinen letzten Satz, den er auf dieser Welt gesprochen hat: „Herr, ich liebe dich.“ Darin ist alles enthalten, was er als Theologe, Priester, Bischof und Papst geschrieben, verkündet, bezeugt und geglaubt hat. Dieses Bekenntnis ist sein Testament.

Jahrgedächtnis für Papst Benedikt XVI. mit Erzbischof Dr. Georg Gänswein im Petersdom


Zum ersten Todestag Benedikts XVI.

Erinnerungen an Benedikt XVI.: Leben, Lehre, Vermächtnis: Aus Anlass des ersten Jahrestages des Todes von Papst Benedikt XVI. überträgt EWTN Vatican in Zusammenarbeit mit der Stiftung Christiana Virtus und der vatikanischen Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.-Stiftung eine Konferenz über Leben, Lehre und Vermächtnis des verstorbenen Papstes. Am 30. und 31. Dezember 2023 kommen Wissenschaftler, Experten und Freunde von Joseph Ratzinger zu einer Tagung im Gebäude am Campo Santo Teutonico neben dem Petersdom zusammen, um über die Bedeutung von Papst Benedikt XVI. für Kirche und Gesellschaft zu sprechen. Die Konferenzsprache ist Englisch.


Weitere Informationen und zur Übertragung finden Sie hier

BUCHHINWEIS

Unter dem Titel „Signore Ti amo“ – „Herr, ich liebe Dich“ (Joh 21, 17). Zum Gedenken an Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. sind Nachrufe auf den am Silvestertag 2022 heimgegangenen emeritierten Papst Benedikt XVI. vereint. Dieses zum Jahresgedächtnis erscheinende Buch, das vom „Institut Papst Benedikt XVI.“ organisiert und von Christian Schaller herausgegeben wird, will die Erinnerung in persönlichen Zeugnissen und mit inhaltlichen Auseinandersetzungen wachhalten und zugleich auf die Wirkungskraft seines geistigen und geistlichen Wirkens in seinem Leben im Dienst an den Menschen und der Kirche aufmerksam machen. Die Autoren aus Kirche, Politik und Wissenschaft geben jeweils einen neuen Zugang zur Person von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. frei. Zu den Autoren zählen u. a. Papst Franziskus, die Kardinäle Marx, Müller, die Bischöfe Voderholzer, Bätzing, Oster, Ministerpräsident Söder und Stoiber, aber auch Wissenschaftler und Publizisten aus der ganzen Welt.

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